Unsere “Road to Roth” 2022 (Teil 2)

Fortsetzung des Berichts von Christian

Nach einer ziemlich kalten Nacht, schlüpfen wir am Samstag den 02.07.2022 aus unseren Wohnmobilen und Zelten heraus. Rund 24h vor dem Start, hatte der Veranstalter heute den Main-Donau-Kanal von 6:30 Uhr bis 09:00 Uhr zum Probeschwimmen unter Startbedingungen gesperrt. Da der Kanal sonst von schweren Schiffen befahren wird, ist das Schwimmen dort außerhalb der offiziell erlaubten Zeiten, unter Androhung der Disqualifikation, verboten. War das Probeschwimmen gestern für Bernd und Christian noch eine Option, so wurde dies nach dieser kalten Nacht übereinstimmend in eine kleine Laufeinheit eingetauscht. Bevor wir starten konnten, raste der für heute avisierte Bäckereiverkaufswagen auf den Sportplatz. Zwei Bretzel und drei Kaiserweck, die hier natürlich Semmeln heißen, kosteten 2,50 EUR(!). Nicht nur im Triathlon, scheint die Welt hier in Roth doch noch schwer in Ordnung.

Dann liefen wir zum Schwimmstart, wo in der aufgehenden Sonne tatsächlich zahlreiche Teilnehmer von dem Probeschwimmen Gebrauch machten. Ein österreichischer Brausehersteller verlieh heute keine Flügel, sondern versorgte die WZ1 aus einem umgebauten Armeefahrzeug und tanzenden DJ heraus mit lauter Mucke. Im Berlin der 90iger wäre das Ganze auch gut als Technorave durchgegangen. Ein kurzer Blick in den Main-Donau-Kanal erinnerte uns wieder daran, wie wir in Baden mit unseren Seen und Bädern doch mit einer bomben Wasserqualität gesegnet sind.

Zurück am Campingplatz konnten wir dann unser Frühstück mit den frischen Brötchen in der aufgehenden Sonne genießen. Wären wir nicht alle in komplett weißblaues Tuch des TV Forst Triathlon gehüllt gewesen, von außen betrachtet wäre dies als gepflegter Männerausflug mit baldiger Hopfenunterstützung durchgegangen. Was nun noch fehlte, war das Eintreffen von Jörg, dem fünften Starter in unserer Schicksalsgemeinschaft. Da er als pflichtbewusster Landesbeamter am gestrigen Freitag noch Prüfungen abnehmen musste, hatten Bernd und Jörg am Freitag die Fahrzeuge getauscht. So konnte Bernd am Freitag mit Michael schon mit Jörgs Wohnmobil anreisen und Jörg würde am Samstag mit Bernds Auto nachfolgen – soweit der Plan. Als Jörg dann vormittags eintraf und über dem Campingplatz fuhr, drehten sich plötzlich alle Köpfe in seine Richtung. Dies lag jedoch nicht daran, dass unser Klappradfspezialist zwischenzeitlich in der Lokalpresse zu einiger Berühmtheit gelangt war. Bernds Auto, so schien es, war über Nacht mit einem V8-Motor versehen worden und hörte sich an wie ein Treffen der Hells Angels. Des Rätsel Lösung ließ nicht lange auf sich warten als Jörg einräumte, dass es eventuell sein könnte, dass er bei der Anfahrt sozusagen den Auspuff verloren hätte. Das Ganze wäre jedoch nicht ganz so schlimm, denn das Corpus delicti läge zwar abgebrochen aber ansonsten unversehrt im Kofferraum. Damit bekam Bernd quasi noch eine kleine Challenge vor der Challenge. Da wir, wie schon bereits erwähnt, auf einem Fußballplatz weilten, war der Zugang zur örtlichen Handwerkerschaft nicht sehr weit. Ein Blick auf die als Branchenbuch fungierende Bandenwerbung des Hauptspielfeldes erzeugte einen Optimismus, am kommenden Montag mit einem reparierten Auto den Heimweg antreten zu können. Tatsächlich war nach einem Dreiergespräch zwischen Bernd, dem vermittelnden Vereinsvorstand und einem Vereinsmitglied mit Autowerkstatt, das Reparaturversprechen in trockenen Tüchern.

Damit konnten alle Beteiligten wieder ihr ungeteiltes Augenmerk auf die sich immer mehr ausbreitende Nervosität legen. Schließlich wurde der Entschluss gefasst, sich weiter um die Wettkampflogistik zu kümmern. Bestand diese im ersten Schritt noch darin, alle notwendigen Gegenstände vollständig und funktionsfähig von der Heimat an den Wettkampfort mitzunehmen, so galt es nun, diese sinnvoll in die bunten Starterbeutel zu portionieren. Da die Challenge Roth, ähnlich wie der Ironmann Kraichgau, über zwei örtlich entfernte Wechselzonen verfügt, hatte sich der Veranstalter eine ausgeklügelte Abgabereihenfolge überlegt. So waren wir alle darauf bedacht, die Laufschuhe auch im Beutel „Run“ drin zu haben, wollten wir doch nicht als erster Barfußläufer über 30km gesplitteten Wirtschaftsweg in die Annalen des Home of Triathletes einzugehen. Daneben wurde eine Radwerkstatt aus dem Boden gestampft, um unsere Radboliden, unter massiven Einsatz von Kabelbindern, renntauglich zu machen.

Einzig das Format der Startnummer, zu befestigen an der Radstütze oder, wer‘s glaubt wird selig, am außenliegenden Bremszug, gab Rätsel auf. Der Entwickler dieser Lösung schien ein sitzradfahrender Maschinenbaustudent gewesen zu sein, der offensichtlich seinen Entwicklungsauftrag als abgeschlossen angesehen hatte, nachdem die Nummer einigermaßen fest an der Fähnchenstange mit Fuchsschwanz hielt. Wie wir später in der Wechselzone sehen sollten, waren unser Befestigungslösungen allerdings mit denen im Profibereich mehr als ebenbürtig. Was zu diesem Zeitpunkt noch keine ahnen konnte, war das Verhalten der kleineren seitlichen Startnummernaufkleber auf dem Helm…

Nachdem wir uns alle hundertfach von der Vollständigkeit unseres Materials überzeugt hatten, traten wir nachmittags den Weg zum Bike-Checkin in Wechselzone 1 an. Nach ca. 15 Min. zu Fuß erreichten wir den Schwimmstart mit Wechselzone 1. Hier wurde uns nochmals bewusst, auf was wir uns hier eingelassen hatten –  auf nichts Geringeres als die größte Langdistanz der Welt! Vor uns in der Wechselzone standen schon geschätzt 15-20 Mio. EUR an Rennmaterial (3.000 Fahrräder x durchschnittlich 5.000 EUR/Fahrrad (unsere nicht mit eingerechnet, um nicht den Schnitt zu versauen) zzgl. diverse Accessoires wie Tachos, Wattmesser etc.).

Das Einchecken lief problemlos, wir erhielten den Transponderchip und teilten uns auf, da unsere Startplätze alle sehr unterschiedlich waren. Der Radbeutel wurde am entsprechenden Platz vor dem Wechselzelt abgelegt, das Rad in den Ständer gestellt, das war es eigentlich schon. Ein gemeinsames Bild, ein paar interessierte Blicke auf die Zweiräder der Konkurrenz und dann traten schon wieder den Rückzug an, während im Lautsprecher Kurzinterviews mit den Profis über den Platz schallten.

Wir traten den Rückweg mit einem Gefühl an, als wenn man schon 200km auf dem Weg in den Urlaub ist und sich fragt ob man den Herd ausgemacht hat. War es ausreichend nur 5x zu schauen, ob die Schuhe im RUN-Beutel sind? Die Unsicherheit währte nicht lange als plötzlich pennälerhafte Vorschläge die Runde machen. „Auf Männer, wir werfen alle Transponder in einen Topf und jeder zieht für morgen seinen“. Konnte dieser Vorschlag zu diesem Zeitpunkt noch einfach wegignoriert werden, so wurde der nächste Vorschlag akzeptiert, schon alleine um Schlimmeres zu vermeiden. Die Absprache bestand darin, dass jeder einen Platz, besser als seine Startnummer, erreichen möge. Die Würze bestand darin, dass die Startnummer an Hand der bei der Anmeldung einzugebenden zu erwarteten Zielzeit, vom Veranstalter vergeben wurde. Wer damals über ein überbordendes Selbstvertrauen verfügte, musste sich also nun anstrengen.

Zurück am Campingplatz galt es nun die letzte Aufgabenstellung zu erfüllen, nämlich die Vorbereitung der Ernährungsstrategie. Michael, Martin und Christian entschieden sich für eine Versorgung mittels Energiegel. Die Berechnung des Kalorienbedarfs kam auf ungefähr 19 Gels für den Wettkampf. Nun musste nur dieses Energieäquivalent eines zweiwöchigen All-inklusive Urlaubs, in die Aero-Rennradflasche gefüllt werden. Hatten sich Martin und Christian für die Füllung einer Geschmackrichtung entschieden, so war Michael dabei seine Flasche mit einer Cuveé aus mehreren Geschmacksrichtungen zu mischen, lecker! Bernd entschied sich für eine Hybridlösung aus Energiegel und gekochten Kartoffeln, während Jörg sich klassisch mit fünf (!) belegten Schinkenbroten dem Wettkampf stellte.

Mittlerweile war es Abend geworden. Wir erhitzen alle verfügbaren Kohlehydrate in Form von Nudel, Kartoffel, Tortellini zu einem gemeinsamen Abendessen. Danach forderte uns Jörg noch zu einer gemeinsamen Runde Rasengolf heraus, sein Werben fiel allerdings nicht auf fruchtbaren Boden. Gegen halb zehn war der Campingplatz zur komplett spaßbefreiten Zone geworden. Die Wettkampfspannung war allerorts greifbar. Während Jörg sich noch mit einem Feierabendbier beim Nachbar tröstete, suchten wir anderen die „Nachtruhe“.

 

Fortsetzung folgt….

 

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