Franzi startet in Embrun

Die verrücktesten Dinge, die ein Mitglied so treiben kann (Teil 3)

Am 15.08 steht in Frankreich traditionsgemäß der Embrunman auf dem Programm. Das ist einer der härtesten Langdistanz Triathlons die es gibt. Schwimmen im Dunklen im See, Radeln hat offiziell 5000HM, mein Garmin kam auf knapp 4000 und der Marathon 3 Runden mit ca 350 HM.
Der Wochentag vom 15. ist egal, weil es ist Feiertag 🙂 so starteten wir an einem Montag. Ich wollte hier schon lange einmal teilnehmen da mich das Abenteuer reizt. Dem klassischen Triathlon Rennen wo es nur um Material und möglichst schnelle Zeiten geht, kann ich schon lange nichts mehr abgewinnen. Da suche ich mir gerne kleine Veranstaltungen mit tollen Landschaften und vielen Höhenmetern aus. Das scheinen hauptsächlich die Franzosen hinzubekommen:-)

Frankreich ist etwas eigen: das Rad wird senkrecht aufgehängt, ob die Startnummer mit 3 Pins am Gürtel befestigt ist wird überprüft, der Helm dafür nicht und bekommt seinen eigenen Trinkbecher zum Mitnehmen beim Laufen, weil, wir sind ja grün.

Das hat mich etwas ins schwitzen gebracht und meine Klamottenwahl nochmal verändert. Man trägt tatsächlich 42km lang einen Becher mit sich rum, wahlweise auch Flasche und Schwamm. Es werden keine Becher, Schwämme und Flaschen ausgegeben beim laufen. Ich bin daher kurzfristig im Radtrikot gestartet um den Becher in die Tasche hinten rein stopfen zu können. Eine kleine 0,5l Flasche hatte ich auch noch dabei. Beim Radeln ist es ähnlich: Flaschen werden kaum ausgegeben. Man hält an, dreht die Flasche auf, hält sie den netten Menschen hin und die füllen auf und drehen zu.
Durchfahren bzw laufen geht also nicht. Ist bei 11/12/13 Std Renndauer auch Wurscht….

 

Frauen Start 5:50. Wir sind 65 Mädels, „Massenstart“. Ich stehe im stockdunkeln, renne ins Wasser und habe ein verdammt mulmiges Gefühl weil alles dunkel ist. Das Wasser, die Luft, die Bojen nicht zu erkennen, die anderen Mädels in ihren schwarzen Neos im schwarzen See ebenfalls nicht zu erkennen. Irgendwo flackert was, dahin schwimme ich. Es fährt wohl ein beleuchtetes Kanu vorne weg. Nach ca 10/15min ist ein Mädel neben mir. Ich bin heilfroh: endlich nicht mehr alleine in dieser Dunkelheit. Sie glaub auch. Ein Kajak kreuzt mal unseren Weg. Einer von uns hatte sich verschwommen. Wir bleiben die ganze Zeit zusammen. Nach der ersten Runde (von zwei) kommen die ersten Männer. Alle passen auf. Auf der zweiten Runde ist es endlich hell und ich erkenne jetzt die Bojen. Interessiert die Schwimmstrecke wirklich mal zusehen. Nach einer guten Stunde ist das Schwimmen geschafft.

Ich renne raus, wechsle, der Neo hakt (das gute Teil hat auch schon 10 Jahre auf dem Buckel), schnappe mir mein Rad und los geht’s. Ich hatte 6 Riegel dabei, 1 Flasche voller Gels (ca 18) und 2 Portionen Ketone. Die Ketone liebe ich, sind eine super effiziente und lang anhaltende Energiequelle. Gebraucht hatte ich alle Gels, 3 Riegel und die Ketone für knapp 8 Std Fahrzeit. Ich hab mein Rennrad dabei ohne Aufsatz. Ein Fehler. Es geht direkt nach dem Start erstmal berghoch um den See. Ein Traum. Die Landschaft ist der Hammer. In der ersten Stunde habe ich sicherlich schon 500hm gemacht. Kurz mit einem Deutschen gequatscht, Riegel gefuttert, gel, Wasser und Ketone trinken. Nach ca 45 km das erste Highlight: meine Eltern und mein Freund am Streckenrand. Winke winke und Foto machen. Die Strecke ist für den fließenden Verkehr übrigens offen. Gegenbahn gesperrt. Ihr radel seeeehr verhalten. Immer unter 200watt sag ich mir. Da kommt noch was. Nach km80 fängt der Izoard an und bei 100 bin ich oben. Da fängt dann das Rennen richtig an. Die Landschaft ein Traum. Ich schaue mir alles an. Ist total abwechslungsreich. Abfahrt Izoard. Puuuuh, von den verbotenen Autos ist nix zu merken, immerhin passen sie auf. Abfahren konnte ich auch Schonmal besser, dafür quietschen die Bremsen nicht mehr so krass wie beim Giro.
Briancon angekommen. Hier ist „unten“. Trotzdem fehlen noch ca 1500hm. Fu… Gegenwind. Ich wusste, dass ich auf dem Rückweg Gegenwind haben werde, aber das hier ist schon fies. Treten, Treten, treten ohne auflieger. Flachstücke, ein wunderschönes bergauf Stück in einem Tal, runter, flach mit Gegenwind, die Wand von der ich nichts wusste, immerhin mit TdF feeling. 2km mit über 10% im Schnitt. Hoch und Runter immer weiter. Ich fülle meine Flasche mal in einem Brunnen auf bzw zwei nette Radler die im Brunnen saßen haben meine Flasche aufgefüllt. Sehr lieb. Km 140: ich wünsche mir eine landschaftlich langweilige Bundesstraße dafür flach. Gibt’s nicht, Mist. Bis km 160 also weiter, hoch und runter ohne Auflieger, dafür mit Gegenwind. Dann mein Freund am Streckenrand. Das war nicht abgesprochen, ich freu mich mega. Endlich etwas Abwechslung. Schätze ab km 110 rum bin ich wirklich annähernd komplett alleine gefahren. Also wirklich ohne Radler in Sichtweise. Mal überholt einer, aber der ist dann auch weg.
Also, Freund erzählt was von bergab. Tatsache runter nach embrun, jetzt der unnötige embrunberg. Das Ding ist fies. Bestimmt 300HM (oder mehr) aus Embrun raus. Der Spaß ist weg. Ich leide richtig. Der Asphalt ist kacke. Die Abfahrt genauso. Ich hab Hunger. Keine guten Voraussetzungen für einen Marathon. Beim in T2 Schieben trinke ich die Gelflasche aus.

Wechsel: Taschen leer machen. 3 Gels rein, 1 Riegel bleibt drin, 2 Ketone Shots (geiler Scheiß), der Becher und die Flasche mit improvisierten Bändchen fürs Handgelenk.
Ich „renne“ dann mal los und leide echt. So schlecht hab ich mich noch nie nach einem Wechsel gefühlt. Kunststück, bin ja auch schon 2,5 Std länger unterwegs. Normalerweise also irgendwo bei km 25-30 rum. Jetzt km 0 von Marathon.

Das wird lang… es sind 3 Runden zu laufen mit Berg. Asphalt, Schotter, Pflaster, alles. Es gibt eine Stelle wo sich die Runde kreuzt da stehen meine Eltern und mein Freund. Sie sehen mich also zweimal pro runde. Für Zuschauer super.

Ich trotte los. So schlecht sind die Beine doch nicht, also laufen. Nach ca 3 km meine Eltern, kurz verpflegt, Wasserflasche vollgemacht, „du siehst gut aus“ der Standardspruch von meinem Papa. Es geht berghoch. Ich trabe, gehe am Schluss. Es geht durch die Fußgängerpassage, sehr hübsch; leider berghoch, bissle flach, dann richtig bergab (erst 100hm hoch dann 100hm runter), flach durch eine Art Park. Verpflegung – mapa, Freund- am Fluss hoch, andere Richtung zurück. Ich trinke meinen ketone Shot: es läuft besser, ein kurzes Gefühl von fliegen, evtl geht’s in Flussrichtung auch minimal bergab.
Trotzdem: Ich spüre so ab km 5/6 den Muskelkater in den Beinen, außerdem ist eine Wasserflasche mit 0,5l Wasser verdammt schwer. Ich wechsle ab: rechts halten, links halten, nicht verkrampfen (gell Christian), die Franzosen für ihr „grün“ verfluchen.
2. runde. Die ersten 3-4 km gehen wieder tendenziell berghoch. Ich fühl mich schlecht, red mir ein nur die erste Hälfte ist hart, dann geht’s bergab und flach zurück. Fast glaub ich mir selbst. Verpflegung: Orangen. Und ein Gel. Papa: „du siehst gut aus.“ Ich möchte ihm glauben. Der Berg ist steiler als beim letzten Mal. Ich gehe früher und mehr. In der Stadt ist viel los. Hier wird gelaufen. Wär ja peinlich da zu gehen. Bergab: das fühlt sich nicht mehr so schön an. Das flachstück bis zu MaPa: es ist länger geworden. Laufen wird immer langsamer. Immerhin: ich überhole. Aber es ist wirklich hart. Papa kann mich auch nicht wirklich aufbauen. Fluss- Brücke- Fluss zurück. Das mit dem fliegen ist vorbei. Nur noch eine Runde. Die letzte. Ich schaffe das. Noch 14km. Die Beine tun sooo weh. Ich gehe den kompletten Berg. Papa: „du siehst gut aus. Alle anderen gehen auch. Du bist nur am überholen.“ das muntert mich tatsächlich etwas auf. Oben angekommen. Leichte Joggingversuche: aaauuuaaaa. Noch 10km. Stadt, hier wird gelaufen. Bergab: boah tut das weh mit Muskelkater. Ich verfluche den Berg. Gehen möchte ich trotzdem nicht. Ich hatte mal ein Rechnung gesehen wieviel länger man durch gehen braucht im Vergleich zum langsamsten laufen. Der Unterschied ist riesig. Ich will nicht wandern. Dann dauert das alles nur noch länger. Eine Horrorvorstellung. Das Flachstück durch den Park: Ich versuche so gut es geht zu joggen. Naja. Immerhin überhole ich. Die Verpflegung, ein letztes Mal meine Eltern und mein Freund. Noch ca 6km. Ich warne sie, dass ich noch lange brauche „das macht nichts. Du siehst viel besser aus als die anderen. Hier gehen alle. Du bist super in der Zeit. Du läufst super gleichmäßig“. Naja. Es reicht zum aufmuntern. Es ist so hart. Mir tut alles weh. Der Becher nervt und die Flasche sowieso. 42km so Zeugs mit sich rum schleppen ist echt kein Spaß. Die letzten 6km. Ich beschließe 1000m laufen und 200m gehen. Immer abwechselnd. Bis ins Ziel. Das kann ich vom Kopf verkraften. Ich mache es genau einmal und dann packt mich der Stolz. Ein letzter Ketoneshot und am Fluss entlang zurück. Auf einmal ein High, nur noch 4km, nur noch der Fluss, ich laufe (also nach 13 Std eher stolpern ohne hinfallen). Ich schaffe das. Der letzte KM geht dann überraschend gut. Warum ist diese Kraft nicht immer da? Man nennt es wohl Adrenalin. Nach 13,5 Std im Ziel. (4:15 rum laufen)
Ich bin saufertig und stolz wie Oskar.
Der mit Abstand härteste Triathlon den ich je gemacht habe. Da kommt kein Hawaii, kein Lanzarote, kein Alp Dhuez und was auch immer hin. Geschafft!!! So schnell starte ich hier nicht mehr. Es ist richtig richtig richtig hart. Dafür braucht man Erfahrung und Glaube an sich selbst. Aber ein Traum wurde wahr.

Mein Riesendank geht an Christian: du hast noch super vorbereitet. Schwimmen, radeln und laufen: richtig gut. Ich hatte die nötigen Kilometer und Kraft in den Beinen um gut zu Finishen. Wurde sogar 14. Frau.

Was würde ich anders machen: mit Auflieger starten. Mich mental mehr drauf vorbereiten, dass das Rennen erst ab KM 100 beginnt und das Laufen richtig hart ist. Und besser abfahren lernen.
Und 2023: vllt der Madeleine Triathlon? Eine kleine aber feine MD. Mit fast genauso viel HM wie Embrun, aber auf 110km. Die Franzosen haben einfach die geilsten Rennen 😀

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